Nuevas voces para el recuerdo -

Literarisches Übersetzen als interdisziplinäres Projekt

D

as disziplinenübergreifende Projekt für Germanistik - und Translationsstudium, das hier vorgestellt werden soll, wurde anlässlich des 80. Jahrestages des Anschlusses Österreichs ans Dritte Reich durchgeführt und hatte sprachreflexive sowie literatur- und kulturdidaktische Zielsetzungen.

Es handelt sich um eines von mehreren Projekten der letzten Jahre an der Universität Salamanca, an denen Studierende und Lehrende sowohl aus dem Fachbereich Deutsch der Philologischen Fakultät als auch aus der Fakultät für Übersetzung und Dokumentation beteiligt waren1. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass sich im Bereich der Übersetzung interessante Schnittmengen der Germanistik- und Translationsstudiengänge ergeben und spannende Möglichkeiten, voneinander zu lernen. Dabei können Studierende wie auch Lehrende von den unterschiedlichen Zugängen profitieren und neue Sicht- und Arbeitsweisen kennen lernen.

Die hier gewählte Methode des freien literarischen Übersetzens von Ernst Jandls Gedicht wien: heldenplatz in interdisziplinären Teams als Beitrag zur interkulturellen Erinnerungskultur kann durch das projektbezogene, zielgerichtete Arbeiten und die kreative Arbeitsweise als für Studierende besonders motivierend angesehen werden. Zusätzlich sind das Verlassen des üblichen Unterrichtskontextes und die Sozialform der fakultätsübergreifenden Gruppenarbeit als Motivationsfaktoren zu nennen.

1. Literarisches Übersetzen in Studiengängen der Translation und Germanistik

1.1. Literarisches Übersetzen im Germanistikstudium

Übersetzen und Dolmetschen spielen weder als in Lehrplänen verankerte Zielkompetenzen noch als bevorzugte Methoden eine große Rolle im Rahmen des Germanistikstudiums in Salamanca. Allerdings werden die Möglichkeiten, die das Übersetzen als sprachliche Handlung bietet, von Lehrenden erkannt und immer wieder in den Unterricht integriert.

Während im Sprachunterricht in vergangenen Zeiten das Übersetzen bekanntermaßen eine der zentralen Methoden der Sprachvermittlung darstellte (Königs 2010: 1041f, Rösler 2012: 68, 147, siehe auch Kofler 2007), kommen Aktivitäten dieser Art in der modernen Fachdidaktik geringere Bedeutung zu. Eine Zeit lang, unter anderem aus Angst vor Interferenzen, geradezu verpönt, wurde der Nutzen interlingualer Vergleiche und Übersetzungen in den letzten Jahren wieder erkannt (Königs 2010: 1042, Rösler 2012: 147f).

Auch der Tätigkeit des Sprachmittelns wird im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (2001) mehr Bedeutung eingeräumt. Die Produktion eigener Übersetzungen kann somit als sinnvolle, authentische Sprachhandlung angesehen werden, die in besonderer Weise dazu geeignet ist, über das Zusammenspiel von Inhalt und sprachlicher Form nachzudenken. Gelegenheit zur Sprachreflexion und zum kreativen Umgang mit Sprache bietet in besonderer Weise die Auseinandersetzung mit Literatur im Sprachunterricht. Die Arbeit mit literarischen Texten kann heute als selbstverständlicher, wenn auch nicht zentraler Teil des DaF-Unterrichts angesehen werden (Dobstadt/Riedner 2003: 231). Nach Dobstadt und Riedner wird Literatur vor allem „als bedeutungsvoller Input, der die Sprachproduktion anregen soll“ verwendet, wenig beachtet wird hingegen „dere[n] ästhetische Sprachverwendung selbst“ (ebda.: 232). Verschiedene fachdidaktische Vorschläge zeigen, wie die Literarizität von Texten begreifbar gemacht und dabei ein Bewusstsein für die Ausdrucksmöglichkeiten des Deutschen und von Sprache im Allgemeinen geschaffen werden kann. Dabei wird, insbesondere für höhere Niveaustufen, auch die Übersetzung als Methode genannt (z.B. Kramsch/Huffmaster 2008, Koppensteiner 2001: 125), die besonders viele Chancen zur Sprachreflexion, verbunden mit eigener kreativer Sprachgestaltung, bietet.

Die Beschäftigung mit der Literarizität der Sprache bildet eine Brücke zum Literaturunterricht, in dem literarische Texte verschiedener Gattungen analysiert werden. Tatsächlich sind die genannten methodischen Vorschläge dem Bereich der Literaturdidaktik zuzuordnen, welche die Vermittlung literarischer Texte bzw. den kompetenten Umgang mit diesen zum Ziel hat. In literaturwissenschaftlichen Lehrveranstaltungen der Auslandsgermanistik spielen Übersetzungen in die jeweilige Landessprache zunächst rezeptiv eine Rolle, da sie Studierenden mit niedrigem Deutschniveau den Zugang zur Literatur deutschsprachiger AutorInnen ermöglichen. In Salamanca ist das in den ersten beiden Studienjahren der Fall, in denen die Lehrveranstaltungen (abgesehen vom Sprachunterricht) auf Spanisch gehalten werden. Originale und Übersetzungen werden einander ergänzend eingesetzt. Die Hermeneutik, ein zentraler Ansatz der Literaturwissenschaft, wurde immer wieder mit Übersetzung in Verbindung gebracht, die Kunst der Auslegung als Tätigkeit des Übersetzens beschrieben und umgekehrt das Verstehen von Texten zur Voraussetzung einer möglichen Übersetzung erklärt (Hermans 2004). Beim Verstehen und Interpretieren von fremdsprachlichen Texten spielen für die Studierenden ohne Zweifel Übersetzungen in die eigene Sprache eine Rolle, auch wenn diese nicht gezielt angefertigt und großteils nicht niedergeschrieben werden. Die bewusste Erarbeitung eigener Übersetzungen - sei es in die oder aus der Zielsprache - als produktive, kreative Leistung stellt hingegen eine Methode dar, die selten eingesetzt wird. Sie scheint jedoch besonders gut geeignet, um für die Merkmale der sprachlichen Gestaltung, speziell auf der Mikroebene der Texte, zu sensibilisieren. Die Literaturwissenschaftlerin Patricia Cifre Wibrow arbeitet aus diesem Grund mit der Methode des literarischen Übersetzens in ihrer Lehrveranstaltung Lyrik, in deren Rahmen Studierende im Wintersemester 2018/19 Gedichte der Migrationsliteratur aus dem Deutschen ins Spanische übertrugen.

Auch im Bereich der Kulturwissenschaften nimmt die Beschäftigung mit Literatur einen wichtigen Stellenwert ein. Das gilt natürlich insbesondere für Lehrveranstaltungen, in denen die Auseinandersetzung mit kollektivem Gedächtnis und Erinnerungskultur im Zentrum steht, aber auch in anderen Themenbereichen ist eine Annäherung über literarische Texte sinnvoll, wie Modelle der Landeskunde- und Kulturdidaktik zeigen (z.B. Bischof et al. 1999). Die Anfertigung literarischer Übersetzungen kann den Ansätzen des interkulturellen oder kulturbezogenen Lernens zugeordnet werden. Durch die produktive Arbeit am Text, die die Aufmerksamkeit auf Inhalt und sprachliche Form gleichermaßen lenkt, können die Lernenden Deutungsmuster der Fremd- und Erstsprache hinterfragen und symbolische Kompetenz entwickeln (Dobstadt/Riedner 2011: 7f). Der letztgenannte Begriff soll im Ansatz des kulturbezogenen Lernens die interkulturelle Kompetenz als Zielsetzung ablösen und bezeichnet „die Fähigkeit, mit den vielfachen, nicht selten spannungsvollen kulturellen Bezügen und Konstellationen, die das sprachliche Handeln heute mehr denn je bestimmen und es reich und vielschichtig machen, flexibler und bewusster umzugehen“ (ebda.: 8). Das hier vorgestellte Übersetzungsprojekt ist ein Beispiel, wie im kulturwissenschaftlichen Unterricht mit literarischen Übersetzungen gearbeitet wird.

1.2. Literarisches Übersetzen im Studiengang Translation

Im Studium Traducción e Interpretación ist literarisches Übersetzen ab dem 3. Studienjahr im Lehrplan verankert. Die besondere Schwierigkeit, die die Übersetzung literarischer Texte darstellt (vgl. 3.2; Frank 2004), erfordert fachspezifische Vorkenntnisse und eine hohe sprachliche Kompetenz, welche erst in den höheren Semestern vorausgesetzt werden können.

Im Seminar Traducción 1ª Lengua Extranjera II: Alemán steht die Beschäftigung mit den Anforderungen des Verlagswesens im Zentrum. Dazu gehören neben spezifischen Übersetzungstätigkeiten auch Kenntnisse über Arbeitsprozesse im Bereich der Korrektur, Edition, des Vertriebs und Marketings sowie rechtlich-organisatorische Aspekte. In den praktischen Teilen dieser Lehrveranstaltung beschäftigen sich die Studierenden mit verschiedenen literarischen Textsorten, unter anderem Erzählung, Roman (mit Subgenres wie Kriminal- oder Liebesroman), Graphic Novel sowie Kinder- und Jugendliteratur. Die Anfertigung eigenständiger Übersetzungen aus dem Deutschen ins Spanische stellt dabei Teil der Arbeitsleistung im Unterricht und der Evaluation dar.

Als Wahlfach können die Studierenden des Studiengangs Translation im 4. Studienjahr die Lehrveranstaltung Traducción literaria (Alemán como 1ª o 2ª Lengua Extranjera) wählen. Hier konzentriert man sich auf die besonderen Anforderungen des literarischen Übersetzens, erneut unter Berücksichtigung des Arbeitsfeldes Verlagswesen. Die behandelten Textsorten sind ähnlich den zuvor genannten, neben narrativen Texten werden aber auch Lyrik und Drama explizit in den Fokus genommen.

Die beiden genannten Lehrveranstaltungen werden von der Dozentin und Übersetzerin Belén Santana López unterrichtet, die sich 2018 mit ihren Studierenden am Übersetzungsprojekt zu Ernst Jandls wien: heldenplatz beteiligte.

2. Das Projekt Nuevas voces para el recuerdo

Am 12. März 2018 jährte sich zum achtzigsten Mal der Tag des Anschlusses, der Annexion Österreichs an das Dritte Reich. Dieses Datum wurde zum Ausgangspunkt für das hier vorgestellte Übersetzungsprojekt.

Ziel war es, sich aus verschiedenen Perspektiven mit dem Phänomen des Anschlusses und dem Heldenplatz als Beispiel für einen wichtigen Erinnerungsort der deutsch-österreichischen Geschichte (Hanisch 2009) auseinanderzusetzen. Das Datum wurde somit auch als Anlass genommen, über die Bedeutung des Erinnerns und des kollektiven Gedächtnisses in der Literatur nachzudenken, was bei der Gedenkveranstaltung und Präsentation der Ergebnisse des Studierendenprojektes Nuevas voces para el recuerdo zum Ausdruck kam.

2.1. Ernst Jandl: wien: heldenplatz

Der österreichische Dichter Ernst Jandl hat mit wien: heldenplatz ein eindrucksvolles sprachliches Bild des Wiener Heldenplatzes, auf dem Adolf Hitler am 15. März 1938 vor jubelnden Massen seine Rede zum Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich hielt, geschaffen (1962/1976: 37):2

wien : heldenplatz

der glanze heldenplatz zirka

versaggerte in maschenhaftem männchenmeere

drunter auch frauen die ans maskelknie

zu heften heftig sich versuchten, hoffensdick

und brüllzten wesentlich.

verwogener stirnscheitelunterschwang

nach nöten nördlich, kechelte

mit zu-nummernder aufs bluten feilzer stimme

hinsensend sämmertliche eigenwäscher.

pirsch!

döppelte der gottelbock von Sa-Atz zu Sa-Atz

mit hünig sprenkem stimmstummel.

balzerig würmelte es im männechensee

und den weibern ward so pfingstig ums heil

zumahn: wenn ein knie-ender sie hirschelte.

Dieses Gedicht ist besonders gut dazu geeignet, die Bedeutung des Erinnerungsortes Wiener Heldenplatz zu veranschaulichen.

Das Ereignis war so überwältigend, daß Ernst Jandl in seinem grandiosen Gedicht „wien: heldenplatz” gar kein Jahr nennen muß. Der Name Hitler kommt nicht vor. Aber jeder erkennt sofort, wer dieser „gottelbock” ist, der von Sa-Atz zu Sa-Atz döppelte. Jandl war als Vierzehnjähriger bei diesem Ereignis dabei gewesen. Seinem Gedicht gelingt es meisterhaft, die religiös chiliastische Stimmung, mit den sexuellen und aggressiven Untertönen, zu evozieren und sie gleichzeitig ironisch zu brechen. (Hanisch 2009: 105)

Das Spannende an Jandls Gedicht ist, dass einerseits eine Deutung möglich ist, das Verstehen eines „Sinn-Ganzen“, einer Botschaft oder eines Bildes, das vermittelt wird. Andererseits enthält der Text gleichzeitig viele Unsicherheiten, die sich aus der Zusammensetzung des Wortmaterials, Wortneuschöpfungen und –verschmelzungen mit vielen möglichen Assoziationen ergeben. Nach Drews (1982: 36) enthält dieser „Assoziationsraum“ einige „Fixpunkte“, „aber kaum eine definitive Begrenzung“. Die Einzigartigkeit der sprachlichen Form macht für Drews den besonderen Wert dieses Beispiels politischer Dichtung aus, bei dem die „ästhetische Wahrheit nicht hinter der politischen Wahrheit herhinkt, sondern ihr gewachsen ist“ (ebda.: 42).

2.2. Kreative Übersetzung in interdisziplinären Teams

Die Stimmung, die in diesem Gedicht dargestellt wird, das Bild, das sich aus der kreativen Sprachverwendung des Dichters ergibt, sollte von den spanischen Studierenden auf ihre Weise verstanden werden - als Annäherung an den literarischen Text (aus Perspektive der Germanistik) bzw. als Ausgangspunkt für die Übertragung in eine andere Sprache, das Spanische (aus Perspektive der Translation).

Als Methode dafür wurde die Nachdichtung des lyrischen Textes in interdisziplinären Teams als freie Übersetzungsübung gewählt. Als Produkt sollten dabei spanische Versionen von wien: heldenplatz entstehen, wobei es sich um die erste (bekannte) Übertragung des Gedichtes handeln würde, denn bis zum Zeitpunkt der Projektarbeit lag keine veröffentlichte Übersetzung ins Spanische vor.3 Die Nachdichtung poetischer Texte stellt eine besonders komplexe Aufgabe dar, die sich von anderen Übersetzungstätigkeiten unterscheidet. Um Ähnliches ausdrücken zu können, muss in verschiedenen Sprachen auf unterschiedliche Formen zurückgegriffen werden (Frank 2004: 858f). Ähnliche, in anderen Kulturen verständliche Assoziationen zu schaffen, stellt eine weitere Herausforderung dar. Zudem sind, wie wir gesehen haben, Jandls Assoziationsräume nicht klar abgrenzbar. Diese Schwierigkeiten bieten für die Studierenden jedoch auch Freiheiten, da unzählige Zugänge und Formen der sprachlichen Gestaltung möglich sind. Kurz, eine herausfordernde und kreative Aufgabenstellung mit einem interessanten Produkt als Ziel, motivierend für die Beteiligten.

Beteiligt am Projekt waren Studierende aus den Lehrveranstaltungen Cultura como Texto (4. Jahr Estudios Alemanes, bei Martina Kienberger) und Traducción 1ª Lengua Extranjera II: Alemán (3. Jahr Traducción e Interpretación, bei Belén Santana López).

Nach einer kurzen Projektvorstellung in den jeweiligen Kursen kamen die Studierenden an zwei Terminen zur gemeinsamen Arbeit zusammen, einmal an der Philologischen Fakultät und einmal an der Fakultät für Übersetzung und Dokumentation.

In der ersten der beiden zweistündigen Einheiten wurden von Seiten der Lehrenden der Kontext und wichtige Details zur Interpretation des Gedichtes und seiner Elemente erläutert. Dabei wurde versucht, den Deutungsrahmen nicht zu stark einzuengen und, basierend auf Erkenntnissen aus der Fachliteratur (bes. Drews 1982), verschiedene Zugänge aufzuzeigen. Es wurde als notwendig erachtet, sprachlichen Verständnisschwierigkeiten zum Teil entgegenzukommen, damit die Studierenden die Wirkung des Gedichtes auf das deutschsprachige Publikum besser nachempfinden konnten - und auch, um den Prozess des Übersetzens zu erleichtern und den Zeitaufwand zu reduzieren. Belén Santana wies zudem auf die besonderen Herausforderungen des literarischen Übersetzens, speziell in einem Fall kreativer Sprachverwendung, wie sie bei Jandl vorliegt, hin.

Nach der gemeinsamen Einführung wurden die TeilnehmerInnen in Gruppen bestehend aus Studierenden der Germanistik und der Translation eingeteilt, wobei sowohl auf ein ausgewogenes Verhältnis der Studienrichtungen als auch des sprachlichen Kompetenzniveaus geachtet wurde. Die Teams begannen mit der Arbeit an Interpretation und Übersetzung und setzten diese in der nächsten Einheit fort. Da einige Tage zwischen den beiden Terminen lagen, konnten die TeilnehmerInnen sich auch zu Hause weiter mit dem Gedicht beschäftigen. Leider mussten in der zweiten Einheit aufgrund von Ausfällen manche Gruppen neu zusammengesetzt werden, doch der positiven Arbeitsatmosphäre tat dies zum Glück keinen Abbruch.

Als Material zur Grundlage und Unterstützung ihrer Tätigkeit wurden den Studierenden neben dem Originaltext von wien: heldenplatz auch Übersetzungen ins Englische, Französische und Italienische, ein weiteres Jandl-Gedicht, das selbst eine kreative Übersetzungsübung darstellt, ein Auszug aus Rayuela (Cortázar, 1963) sowie Hintergrundinformationen zu Ernst Jandl und dem Wiener Heldenplatz zur Verfügung gestellt.

Während der Arbeitsphase konnten sich die Teams selbst organisieren und jeweils eigene Strategien für die Übersetzung entwickeln. Dabei konnten interessante unterschiedliche Herangehensweisen beobachtet werden. Die Dozentinnen versuchten, so wenig wie möglich in die Arbeitsprozesse einzugreifen, standen aber für Fragen zur Verfügung.

Am Ende der zweiten Einheit wurden die entstandenen Texte bei den Projektleiterinnen eingereicht, die sie anonymisiert an eine Jury bestehend aus Mitgliedern der philologischen und der translationswissenschaftlichen Fakultät weiterleiteten. Renate Anschütz, Nely Iglesias Iglesias, Silvia Roiss, Judith Schnettler, Goedele de Sterck und Petra Zimmermann stellten sich der schwierigen Aufgabe der Auswahl des für sie besten spanischen Gedichtes.

2.3. Präsentation und Prämierung der Arbeiten

Am 12. März 2018 wurden die studentischen Arbeiten im Rahmen der Gedenkveranstaltung Nuevas voces para el recuerdo - Der Heldenplatz als österreichischer Erinnerungsort 80 Jahre nach dem Anschluss präsentiert.

Nach einer Einführung durch Martina Kienberger über die Bedeutung des Wiener Heldenplatzes sprach Karin Kosina, Leiterin des österreichischen Kulturforums in Madrid, über Kulturarbeit und die Bedeutung des Erinnerns. Juan Manuel Martín Martín stellte anschließend das Konzept der Erinnerungsorte und Formen von kommunikativem und kulturellem Gedächtnis vor.

Den Höhepunkt der Veranstaltung stellte jedoch ohne Zweifel die Präsentation und Prämierung der studentischen Jandl-Übersetzungen dar. Alle Gruppen zeigten ihre Arbeiten, die auch in Kopie ans Publikum verteilt wurden, und rezitierten ihre Texte. Danach erklärten die Mitglieder der Jury ihre Auswahlkriterien und wiesen erneut auf die besondere Schwierigkeit des literarischen Übersetzens hin. So verfügte auch jedes entstandene Gedicht über besondere, individuelle Qualitäten, was den Vergleich und die Auswahl nur eines Siegertextes erschwerte. Schließlich hatte man sich aber doch auf eine Siegerversion geeinigt und das Team von Verónica Parra Alonso, Sergio Barbeitos Esteban, Anastasiya Warkot, Ana Isabel López und Mar Sánchez Pulido durfte sich über die Prämierung ihres Werkes und Buchpreise, gestiftet vom österreichischen Kulturforum, freuen.

Die hier abgedruckten, im Rahmen des Projektes entstandenen Texte zeigen die große Kreativität und Bandbreite sprachlicher Gestaltungsmöglichkeiten:

viena: plaza de los héroes

la brintera plaza de los héroes casi

se hundía en grandes masas de individuos atrapados,

entre ellos mujeres que en rodillas masculosas

intentaban apoyarse, en estado de buena esperanza

y esencialmente bramaban.

con el flequillo ondulando, el resto separado

jadeaba partituras arias

con agreciente tono se propagandaban

guadañando a la masa de individuos.

¡soltemos los perros!

el dios gallito brincaba de ca-SA en ca-SA

con la coloxión del colofón.

serpenteaba apareante entre la marsedumbre

y las féminas extasiadas ante el heil

advertiente: cuando se arrodillaban ciervilmente.

(Anna Davydova, Elena Bermúdez de Castro Martínez, Elena Hernández Benito, Celia Hernández Pérez, Julia Crisolino Iglesias)

viena: la plaza de los héroes

en torno a la fulnífica plaza de los héroes

se ahondía en las etentesmareas entrelazadas de títeres

entre ellos mujeres que se masclan

que con ardión se tientan en estado de buena esperanza

y berrean esencialmente en celo.

bajímpetu de la guedeja en ola sobre frente

melodiología nórdica, jadeaba

con voz en-numentada corrupta de sangre

segaba miselables individualismos

¡apunten!

hurríagran gallocabrío de acoso SA-rrosivo

con pedazos cenizos

se gululea con berreo en marea

y a las mujeres como en sagrado pentecostés

advirtió: arrodillaos ante la berrea.

(Verónica Parra Alonso, Sergio Barbeitos Esteban, Anastasiya Warkot, Ana Isabel López, Mar Sánchez Pulido)

viena: heldenplatz

la casi grandilumbrante heldenplatz

fracasumida en un mar de títeres entrelazados

entre los cuales había mujeres que ansiosas

intentaban graparse a las rodillas musculinas

preñadas de esperanza entre aullidos de celo

soposado bigopillo

jadea una melodía de normas al norte

la voz bombardeadora enumera hasta la sangre

de los que guadañan sus propios ombligos

¡pium!

el cabrón divino frasea SA-lto a SA-lto

dexplota colosalmente la voz colilla.

en la berrea gusanea en llanto el lago de títeres

y a las hembras les espera a la vez el curastigo

cuando un rodibambi las cervatea.

(Julia Carlos Ramos, Naomi Hermo Folgado, David Jiménez Urbán, Oscar Ndikubwayo, Irene González García)

La complellante plaza de los héroes repleta, casi

fracasaba en un mar de homúnculos presos en mallas.

Entre ellos, mujeres, que persistían en su intento de,

afarrarse, afanosas, preñadas de buenaesperanza.

Y braman, brárbaramente.

El osado, ondeante pendón en el glacis,

ansiando una nota aria, jadea.

Una sangrante voz entregada al unísono,

que cercena toda humanidad.

¡Al ataque!

Berrea el cabrito de Marte entre apreSAdores

una grandilocuente vocecilla salpicada de ceniza.

Serpentea excitado en un mar de homunúnculos

y a las mujeres les llega la mesionada salvación,

cuando un siervo se postre de rodillas.

(Ángel García, Alba Ortigosa, Alejandro Ureña, Diego Parada, Jorge Ollero)

3. Fazit

Literarisches Übersetzen ist nicht nur im Rahmen von Translationsstudiengängen von Bedeutung, sondern kann auch als motivierende Methode in den Sprach-, Literatur- und Kulturkundekursen des Germanistikstudiums eingesetzt werden. Es kann daher als Brücke zwischen den Fakultäten dienen und Möglichkeiten zum gemeinsamen Arbeiten und Lernen eröffnen. Für die am Projekt Nuevas voces para el recuerdo beteiligten Dozentinnen und Studierenden war es spannend, neue Zugänge zu Literatur und Arbeitsprozesse beim Verstehen und Gestalten von Sprache kennen zu lernen. Das gewählte Gedicht wien: heldenplatz bot dabei in besonderem Maße Gelegenheit, sich mit dem Zusammenspiel von Form und Inhalt und den Ausdrucksmöglichkeiten der deutschen (und spanischen) Sprache auseinanderzusetzen.

Als besonders motivierend kann die projektbezogene Arbeit angesehen werden. Die im Kontext von Nuevas voces para el recuerdo angefertigten Übersetzungen stellen authentische Sprachprodukte dar, die für einen konkreten Anlass, die Gedenkveranstaltung zum Anschluss, erstellt wurden. Die Texte sind somit zielgerichtet, situationsgebunden und an ein bestimmtes Publikum adressiert entstanden und wurden über den Unterrichtskontext hinaus rezipiert. Die Tatsache, dass zudem der beste Studierendentext prämiert wurde, stellte einen zusätzlichen Anreiz dar.

Aufgrund der positiven Erfahrungen der letzten Jahre soll die projektbezogene Zusammenarbeit zwischen den Fachbereichen Deutsch der Fakultät für Übersetzung und Dokumentation und der Philologischen Fakultät Salamancas auch in Zukunft fortgesetzt werden. Das hier vorgestellte Projekt kann zudem als Anregung für ähnliche Initiativen an anderen Universitätsstandorten dienen und weitere interdisziplinäre und interkulturelle Lernprozesse anstoßen.

(1) Im April 2016 wurde etwa ein kreativer Übersetzungswettbewerb von der Dozentin für deutsche Sprache Nely Iglesias Iglesias initiiert, in dem Philologiestudierende ihre deutschsprachigen Versionen eines Gedichts der uruguayischen Autorin Orfila Bardesio präsentierten, welche von einer Jury aus DozentInnen der Germanistik und Übersetzungswissenschaft prämiert wurden. Im November 2018 übersetzten Studierende beider Fakultäten im Rahmen des Projektes Fuimos. Vamos. Iremos., das sich dem Thema Flucht in Literatur und Fotografie widmete, jeweils einen Teil deutschsprachiger Texte ins Spanische, die anschließend bei einer gemeinsamen Ausstellung mit Fotos gezeigt wurden.

Recibido: 07/11/2018

Aceptado: 22/01/2019

DOI: http://dx.doi.org/10.12795/mAGAzin.2018.01

Wissenschaftiche Artikel/Artículos Científicos

Martina Kienberger

Universidad de Salamanca

martina.kienberger@usal.es

Zusammenfassung:

Literarisches Übersetzen stellt eine interessante Herausforderung sowohl für Studierende der Germanistik als auch der Translation dar. Dieser Beitrag zeigt, wie die Übertragung literarischer Texte von einer Sprache in die andere in verschiedenen Lehrveranstaltungen mit unterschiedlicher Zielsetzung (sprachanalytisch, literaturdidaktisch, etc.) genutzt werden und als Anlass für interdisziplinäres projektbezogenes Arbeiten dienen kann. Anhand des Projektes Nuevas voces para el recuerdo, in dessen Rahmen Studierende der Germanistik und Translation in Salamanca ihre Versionen des Gedichtes wien: heldenplatz von Ernst Jandl anfertigten, werden Zielsetzungen, Arbeitsweisen und Produkte der fakultätenübergreifenden Übersetzungsarbeit vorgestellt.

Schlüsselwörter: Übersetzung, Literatur, Lyrik, Didaktik, Erinnerungskultur, interdisziplinär

Abstract:

Literary translation presents an interesting challenge for both students of German and translation studies. This article shows how the transfer of literary texts from one language to another can be used in different courses, pursuing different objectives (language analysis, literary didactics, etc.) and how it creates an occasion for interdisciplinary project-related work. Based on the project Nuevas voces para el recuerdo, in which students of German philology and translation in Salamanca made their versions of the poem wien: heldenplatz by Ernst Jandl, the objectives, working methods and products of the cross-faculty translation work are presented.

Keywords: translation, literature, poetry, didactics, culture of the memory, interdisciplinary studies

(2) Auf der Internetseite Lyrikline.org kann das Gedicht nachgelesen und eine gesprochene Version angehört werden. www.lyrikline.org/de/gedichte/wien-heldenplatz-1229 (letzter Zugriff am 18. 10. 2018).

(3) Im Jahr 2019 erschien die erste spanische Publikation einer Auswahl an Gedichten von Ernst Jandl, darunter auch wien: heldenplatz, übersetzt von Sandra Santana, beim Verlag Arrebato Libros.

Studierende bei der Arbeit

Studierende bei der Arbeit

Gedenkveranstaltung zum Anschluss am 12. März und Präsentation der Übersetzungen

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Biographische Notiz zu den Projektleiterinnen

Martina Kienberger, Mag., geboren 1985 in Amstetten/Österreich, ist seit 2014 als OeAD-Lektorin an der Universität Salamanca tätig. Zu ihren Lehr- und Forschungsschwerpunkten gehören Fremdsprachendidaktik, Medientheorie und Kulturwissenschaft. Sie schreibt ihre Dissertation zum Thema Erschließungsstrategien für unbekannten Wortschatz im Deutschen. Belén Santana López, Dr., geboren 1975 in Logroño/Spanien, ist Dozentin der Translationswissenschaft an der Universität Salamanca und Übersetzerin deutschsprachiger Literatur ins Spanische. Sie ist Autorin zahlreicher Publikationen zu den Themen Übersetzung des Komischen sowie dem Übersetzen von Literatur. Zuletzt erschienen: Lachen – Humor – Komik (2012), Memorias de una osa polar von Yoko Tawada (2018).